Freitag, 19. November 2010

Kapitel 10 Das negative Image der Elektrostatik

Genau genommen ist die Elektrostatik ein eigenes Wissensgebiet innerhalb der Physik. Doch heute ist das Wissen über die Elektrostatik praktisch zum Teilgebiet der Elektrodynamik geworden. Das konnte nicht verhindern, dass die Elektrostatik überwiegend mit einem negativen Image besetzt ist. «Negativ besetzt» bedeutet, dass elektrostatische Erscheinungen nur bei Festkörpern bekannt sind und dort können sie erhebliche Schäden anrichten.

Im privaten Bereich werden immer die gleichen Beispiele angeführt: Man geht mit bestimmten Schuhen über einen Teppichboden, dann fasst man eine metallische Türklinke an und bekommt eine «gewischt» d.h. es findet zuerst eine elektrostatische Aufladung zwischen Isolatoren statt, die sich dann an der metallischen Türklinke mit einem oft als unangenehm empfundenen Funkenüberschlag entlädt. Ein anderes Beispiel: Beim Haare kämmen hört man plötzlich ein Knistern, im Dunkeln sieht man kleine Blitze und der Kamm kann für einige Sekunden Papierschnitzel anziehen. Oft wird auch das Beispiel mit dem Bernstein angeführt, dessen statische Eigenschaften beim Reiben mit einem Tuch zu Tage treten, was den alten Griechen schon bekannt war. Im Griechischen wird Bernstein als «Elektron» bezeichnet, so dass alles, was das Wort Elektro als Vorwort trägt, auf Bernstein zurückgeht.

Mit diesen Beispielen kann man natürlich «keinen Staat» für die Elektrostatik machen. Ganz und gar negativ werden statische (ruhende) Ladungen in der elektronischen Fertigung beurteilt. Beim Bestücken von Leiterplatten mit ihren dielektrischen Eigenschaften lädt sich das Material der Gedruckten Schaltungen so stark auf, dass wertvolle Bauteile durch die Entladungen vernichtet werden können. Deshalb tragen die Arbeiter während der manuellen Bestückungs- und Lötarbeiten am Handgelenk ableitende Armbänder, die über Leitung geerdet sind. Es gibt noch andere Negativ-Beispiel in der Technik, z.B. in der Papier- und Kunststoff verarbeitenden Industrie.

Wenn die Elektrostatik als solche beim Auftreten auf Festkörpern negativ beurteilt wird, so ist sie bei Flüssigkeiten völlig unbekannt. Der Grund: Es gibt keine Analogie für praktische Anwendungen. Die Homöopathie kann meines Wissens als einzig praktische Anwendung zur Energieerzeugung in Flüssigkeiten genannt werden. Allerdings gibt es ein Beispiel, das sich in einer anderen Dimension abspielt und uns allen bekannt ist: die Gewitterelektrizität

Dieses Beispiel aus der Natur kann zumindest erklären, wie statische La­dungen und die Ausbildung eines elektrischen Feldes zustande kommen, auch wenn die Dimensionen millionenfach größer sind. Ge­witterelektrizität entsteht durch Reiben von Wassertröpfchen an den Luftmolekülen inner­halb der Gewitterwolken. Bei starken Turbu­lenzen laden sich im Inneren der Wolken die Tröpfchen elektrisch auf. Kleine und positiv geladene Teilchen werden mit den Aufwinden nach oben transportiert, größere und negativ geladene sammeln sich an der Wolkenunter­seite. Das Ergebnis ist eine zweipolige Wolke. In der Regel laden sich die oberen Wolken positiv und die unteren negativ auf. Bei Feld­stärken von bis zu 105 V/m treten elektrische Spannungen bis zu 109 Volt auf. Diese hohe Polarität hat nur ein Ziel, sich in einem Blitz zu entladen. Der mittlere Energieumsatz eines Blitzes beträgt circa 10 kWh. Über Blitzableiter fließt der Blitzstrom von etwa 105 A ohne merkliche Erwärmung in die Erde.

Mit diesem Beispiel ist die Frage, ob elektrostatische Ladungen in Flüssigkeiten durch Reibung erzeugt werden können, hinreichend geklärt. Anstelle der bei einem Gewitter auftretenden Luftströmungen übernimmt bei der Herstellung eines Homöopathikums das Verschütteln die Erzeugung von Reibungselektrizität. Es entstehen dabei relativ geringe elektrische Spannungen, und noch geringere Feldstärken. Gewitter produzieren also Hochspannung, während Homöopathika mit niedriger Spannung versehen sind.


1 Kommentar:

  1. Ein Leser, der namentlich nicht genannt werden möchte, teilt mit, dass es eine ganze Reihe von praktischen Elektrostatik-Anwendungen von Flüssigkeiten gibt. Allerdings, so betont er, trifft das nur auf die Hochspannungeserzeugung zu. Er nennt Beispiele: Zündspule im Auto, Transformatoen in Ölheizungen,Ionisierungs-Tranformatoren in Kopierern und Tintenstrahldruckern sowie in Ultraschall-Luftbefeuchtern. Ein Beispiel, bei dem durch manuelles Schütteln Reibungselektrizität und damit elektrostatische Lasdungen erzeugt würden, kannte der Leser nicht. Hier sei wohl die Homöopathie tatsächlich die einzige Anwendung. Er stimmte mir zu, dass die dabei erzeugten Spannungen sehr gering seien, hielt es aber auch für möglich, dass diese Energie zu gesundheitlichen Erfolgen beitragen könnten.

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