Freitag, 19. November 2010

Kapitel 5 Kritikpunkt: Das Verdünnen

Verlassen wir den pharmakologischen Bereich der Homöopathie und wenden uns der Herstellung der Homöopathika zu. Hier wird als Hauptargument für die angebliche Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie das Verdünnen während des Herstellungsprozesses angeführt. Es stimmt: Tatsächlich werden die Urtinkturen, in denen die Wirkstoffe natürlicher Substanzen gelöst sind, während des Herstellungsprozesses immer weiter verdünnt und zwar bei den Hochpotenzen so lange, bis angeblich kein einziges Molekül des Wirkstoffes in der Lösung mehr zu finden ist. Man muss sich einmal vor Augen führen, was diese Verdünnungsprozedur eigentlich be­deutet. Fleißige Leute, die rechnen können (siehe de.wikipedia.org), haben die Verdün­nungsschritte bei den D-Potenzen einmal ausgerechnet. Danach entspricht ein Poten­zierungsschritt bei einem Verdünnungsgrad von:
D1 = 1:10 dem Volumen einer Erbse
D2 = 1:100 dem Volumen eines halben Esslöffels
D3 = 1:1000 dem Volumen von zweiein­halb Schnapsgläsern
D6 = 1:1 Million dem Volumen einer klei­nen Mülltonne
D9 = 1:1 Milliarde dem Volumen eines Öltanklasters mit Anhänger
D12 = 1:1 Billion dem Volumen von 25 olympischen Schwimmbecken
D20 = 1:100 Trillionen dem Volumen des Michigansees in den USA
D23 = 1:100 Trilliarden dem Volumen des 50-fachen Erdvolumens

Von den Kritikern der Homöopathie beson­ders attackiert werden die Hochpotenzler. Man rechnet ihnen vor, dass bereits nach zwölf Potenzierungsschritten bei D-Potenzen und 24 nach C-Potenzen ein Verdünnungsver­hältnis von 1:1024 erreicht wird und damit die sogenannte Avogadrozahl übertroffen wird. Das bedeutet, dass nur noch der Zufall bestimmt, ob in einer Lösung noch ein Mo­lekül der Urtinktur erhalten ist oder nicht. Bei jedem weiteren Potenzierungsschritt vermindert sich die Wahrscheinlichkeit, noch ein Molekül vorzufinden, um den Faktor 10 bezie­hungsweise 100. Die Schulmediziner werfen denn auch den Homöopathen vor, «mit Nichts heilen zu wollen».

Doch so einfach ist die Sache nicht. Die Homöopathen schwören «Stein und Bein», dass sie Erfolge mit noch viel höheren Potenzen haben und verweisen unter anderem auf die LM-Potenzen. Hier wird die Sache kompliziert, denn das Verhältnis zwischen der Trägerlösung und der Urtinktur beträgt 50.000 zu 1 (bei LM1). Das bedeutet: auf 50.000 Liter Trägergemisch (das sind 50 cbm, was einem kleinen See entspricht) kommt 1 Liter Urtinktur, bei 5.000 Litern sind es 100 ml, bei 500 Litern sind es 10 ml, bei 50 Litern sind es 0,10 ml und bei 5 Litern sind es 0,010 ml. Bei solchen Verdünnungen fragt man sich, warum überhaupt noch Urtinktur zur Trägerlösung hinzugeben? Hahnemann selbst soll die LM-Potenzen als die «kräftigsten, zugleich mildest wirkenden und vollkommensten» bezeichnet haben. Er war überhaupt der Meinung, seine Arzneien würden besser wirken, wenn sie immer weiter verdünnt und verschüttelt würden.

Die Frage lautet nun: Kann ein so geringer Wirkstoffanteil innerhalb eines Trägergemisches überhaupt noch eine medizinische Wirkung haben? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Und genau genommen weiß es auch kein anderer. Es fällt also schwer, in dieser Beziehung ein Urteil über die Wirksamkeit solcher Potenzen bei der Behandlung von Krankheiten abzugeben. Denn tatsächlich bleibt da immer noch Teil II des homöopathischen Wirkungsprinzips: die energetische Aufladung. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei den Höchstpotenzen gar nicht mehr die Wirkstoff-Moleküle sind, die zur Heilung einer Krankheit beitragen, sondern die energiegeladenen Moleküle des Trägergemisches. Andererseits weiß kein Mensch, wie sich die statischen Ladungen auf die wenigen Moleküle der Urtinktur auswirken. Angenommen es wäre tatsächlich nur noch ein einziges Molekül einer Urtinktur vorhanden, das aber energiereich aufgeladen ist. Zeigt es dann noch eine gezielte medizinische Wirkung? Wie dem auch sei: Der Beweis für oder gegen diese Theorie dürfte schwierig sein. Eine Frage für die Atomphysiker und Molekularbiologen?

Wie man sieht, läuft hier die Kritik ins Leere, denn es ist unlogisch, nur das Verdünnen für sich zu sehen und das Verschütteln außer acht zu lassen. Beides hängt unmittelbar zusammen.

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